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Osteopathie und Infektionskrankheiten – wie passen die 2 Worte in Zeiten von Corona zusammen?

Wann, wenn nicht im Zuge einer Pandemie, könnten wir das Thema Osteopathie und Infektionskrankheiten besser zum Gespräch bringen? Dieser Beitrag beinhaltet sowohl meine persönliche Meinung als auch eine mittlerweile 14 Quellen bindende Linksammlung zum Thema, die ich fortlaufend erweitern werde.

1. Ein paar einleitende Worte zum Thema Osteopathie und Infektionskrankheiten

Wir schreiben April 2020, die Welt hält geschockt den Atem an. Traumatherapeutisch definiert befinden wir uns mitten in einem sogenannten „unvermeidlichen Angriff.“ Industrielle Standorte stehen still, Existenzen scheitern, Schüler lernen zu Hause und Osteopathen schließen ihre Praxen.

Oder eben auch nicht.

Die Meinungen, wie man sich am allerbesten in dieser Pandemiezeit verhalten könnte, gehen nicht nur in der Osteopathiebranche diametral auseinander. Internetforen kochen hoch, Demos werden organisiert. Die einen sprechen von Freiheitsberaubung während sich andere mit stärkster Angst konfrontiert sehen. Die Idee zu dem heutigen Beitrag hatte ich, zwar in veränderter Form, eigentlich für ein anderes Medium vorgeschlagen, dort wurde er vorerst abgelehnt. Dreistimmig. Das war hart für mich und auch dieses wichtige Thema, dennoch bin ich der ganz festen Überzeugung, dass wir gerade jetzt, wo wir noch ganz am Anfang dieser Pandemie stehen, über die Rolle der Osteopathie in Bezug zu Infektionskrankheiten sprechen sollten.

Warum?

Dazu möchte ich als erstes ein Zitat meines geschätzten Lehrers Jean Pierre Lehr einbringen. Es hat sich tief in meine Überzeugung als Behandlerin eingebrannt. Ich denke oft daran. Irgendwann sagte er im Unterricht mit ganz bedeutungsvoller Stimme:

“ Jeder muss behandelt werden. „

Dann wurde es still im Raum. Er lies uns ein paar Augenblicke Zeit, dass es sacken konnte. Danke an dieser Stelle hinüber nach Zwickau, zu Jean Pierre Lehr.

Jeder muss behandelt werden. Das muss man sich wirklich lange auf der Zunge zergehen lassen, da es viele Kontraindikationen, also Krankheiten oder Krankheitsanzeichen gibt, wo es nicht erlaubt ist, osteopathisch zu arbeiten. Es gibt klare Grenzen, die jeder fundiert ausgebildete Osteopath kennt.

Sehr viele Infektionskrankheiten gehören dazu. Rechtliches folgt gleich.

Wie machen wir das jetzt also mit „JEDER“ …muss behandelt werden?

2. Die Regeln, die ich für meine Praxis aufgestellt habe

Ich habe für mich ein paar wichtige Fragen herausgearbeitet, die ich mir in osteopathischen Sitzungen bei jedem einzelnen Patienten auf´s Neue stelle:

  1. Ist es mir rechtlich erlaubt – diese Diagnose, dieses Symptom zu behandeln?
  2. Wann ist der richtige Behandlungszeitpunkt?
  3. Welche Techniken sind in dem jeweiligen Moment angemessen?

3. Die rechtliche Lage der Osteopathie in Bezug zu Infektionskrankheiten

Bezugnehmend auf Punkt 1 bin ich als Heilpraktikerin verpflichtet, mich an das 2001 zur Gefahrenabwehr erlassene Infektionsschutzgesetz zu halten. In ihm sind ganz klar Behandlungsverbote und auch Meldepflichten (siehe §6 Infektionsschutzgesetz) verzeichnet. So regelt §24 IfSG folgendermaßen die Behandlungsverbote:

Die Feststellung oder die Heilbehandlung einer in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 oder in § 34 Absatz 1 Satz 1 genannten Krankheit oder einer Infektion mit einem in § 7 genannten Krankheitserreger oder einer sonstigen sexuell übertragbaren Krankheit darf nur durch einen Arzt erfolgen….

Am 30.1.2020 wurde das Gesetz dann um die Meldepflicht und das Behandlungsverbot in Bezug zum neuartig aufgetretenen Coronavirus erweitert. (Ausdehnung Meldepflicht Corona).
Somit steht fest – ein an Covid-19 erkrankter Patient darf in einer Heilpraktikerpraxis nicht behandelt werden.
Selbst beim leisesten Verdacht des Vorliegens dieser Erkrankung besteht Meldepflicht. Als Orientierung dienen hier das klinische Bild sowie epidemiologische Zusammenhänge. Ich denke, Covid-19 wird uns noch sehr lange, nicht nur in unseren Praxen, beschäftigen.

4. Wir müssen einen Umgang damit finden.

Aber was ist dann jetzt meine Aufgabe als Osteopathin, im Hinblick auf diese Infektionskrankheit und im Hinblick auf die Gefahr der weiteren weltweiten Ausbreitung?

5. Wen behandle ich denn dann und was Achtsamkeit mit Infektionen zu tun hat

All diejenigen indirekt – die gerade am meisten durch die neuartige Viruserkrankung gefährdet sind… (….siehe: „jeder muss behandelt werden“) …

…ich behandle durch Achtsamkeit.

Ich weiß, dass klingt abstrakt. Aber vielleicht lösen wir uns beim Wort „behandeln“ von der ersten Assoziation, dass wir unbedingt jemand anfassen müssen. Neben „einen Patienten zu heilen versuchen“ findet sich im Duden auch noch die Formulierung:  „mit jemandem in einer bestimmten Weise umgehen, verfahren“.

…ich sorge dafür, dass die Infektionskette so gut es geht unterbrochen wird. Dafür habe ich in meiner Praxis Stand April 2020 folgende Regeln getroffen. Ich habe für akute Fälle geöffnet und wäge sehr genau und in Rücksprache zum Patient ab, ob die Behandlung notwendig oder verschiebbar ist.

  • Risikopatienten werden nicht behandelt
  • Patienten, die Risikopatienten im Haushalt haben, werden nicht behandelt
  • Patienten, die sich täglich in größeren Menschenmengen aufhalten, werden leider auch derzeit nicht behandelt. (dazu zählt für mich zum Beispiel die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln)
  • Patienten mit jedweder Form von Infektanzeichen wie Niesen, Schnupfen, Husten, Fieber werden nicht behandelt

6. Gibt es sonst noch was, was die Osteopathie im Hinblick auf Covid-19 oder Infektionskrankheiten allgemein tun kann?

Ich denke ganz klar ja.

Schauen wir kurz zum klinischen Bild von Covid-19, wie es vom Robert-Koch-Institut (Quelle: RKI) derzeit beschrieben ist:
  • Lungenentzündung als spezifisches klinisches Bild
  • Atemwegsprobleme  jeder Schwere als unspezifisches klinisches Bild

Eine Lungenentzündung ist eine sehr schwere Erkrankung, die wie auch im Fall von Covid-19 manchmal tödlich verläuft.

7. …für ein Fünkchen Hoffnung kommen die osteopathischen Prinzipien ins Spiel

Doch … und ab jetzt möchte ich versuchen, ein klein wenig Hoffnung zu schüren und vor allem das gemäß den osteopathischen Prinzipien vorhandene Potential unserer Fähigkeit der Abwehr von Eindringlingen betonen.

Allein mit dem Wissen, dass wir die körperliche Fähigkeit zur Abwehr besitzen – bewegen wir uns in den Verhaltensmodus:

„ich kann“

 

Das ist allemal besser als die Schockstarre, welche immer mit „ich kann nicht“ verbunden ist.

Mit der Option „ich kann“ gehen wir einen Schritt weg von der Angst vor einer solchen oder auch anderen Erkrankungen. Ohne den Ernst der Lage verharmlosen zu wollen, aber Covid-19 und auch andere Infektionskrankheiten verlaufen bei Weitem nicht bei jedem tödlich. Es gibt also irgendetwas zwischen:

gesund – erkankt – tot

Die Ausdehnung und das Potential zwischen diesen Begriffen gilt es zu erkunden. Osteopathisch betrachtet gilt es, die Gesundheit und damit vor allem die gesundheitsförderlichen Faktoren zu finden und zu nutzen.

8. Linkliste – Was passiert im weltweiten Feld der Osteopathie in Bezug zu Infektionskrankheiten?

1. Bei Facebook hat sich sofort nach Ausbruch der Pandemie eine eigene Gruppe gebildet „Osteopathen helfen in der Corona Krise“. Auch wenn nicht so wahnsinnig viel los ist in dieser Gruppe, tut es gut zu wissen, dass viele Kollegen mit dem Thema beschäftigt sind ohne es gleich und komplett abzulehnen. 2 Trends haben sich bisher dort abgezeichnet. Einerseits wurde ausgetauscht, wie man sich am örtlichen Krankenhaus als helfende Hand einbringen kann – andererseits wurden und werden immer wieder mal Artikel geteilt, die sich mit der Behandlung von Infektionskrankheiten befassen.

Um zu verstehen, was uns Osteopathen an dem Thema so bewegt, müssen wir auf dem Zeitstrahl zurückgehen.

Schauen wir auf die Wurzeln der Osteopathie und damit auf die Bedeutung oder vielmehr den Bezug zu den Infektionskrankheiten, denn die waren in der damaligen Osteopathie allgegenwärtig.

Düsen wir in einer imaginären Zeitmaschine kurz rüber in die USA, in den mittleren Westen, die Wiege der Osteopathie. Wir schreiben jetzt die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Aus dieser Zeit sind die ersten osteopathischen Behandlungsansätze überliefert. Andrew Taylor Still, Amerikaner und Begründer der Methode, verlor selbst einige Kinder, welche an Gehirnhautentzündungen verstarben und begab sich auf die Suche nach einer neuen Medizin. Eine Medizin, welche sich vor allem an Gesundheit orientieren sollte.
Auf seiner Suche nach der Ursache der Krankheiten, vertrat und lehrte er später die Ansicht, dass die Zirkulation der Körperflüssigkeiten reguliert werden sollte. Durch Manipulation von Wirbeln und Normalisierung von Körpergewebe konnte er damals Einfluss nehmen auf tödliche Durchfallerkrankungen. Es gelang ihm, einige Kinder vor dem Tod zu bewahren. Ein zu damaligen Zeiten spektakuläres Geschehen.

Die Osteopathie erlangte in den nächsten Jahren schnell großes Ansehen. 1892 wurde sodann die erste Schule in Kirksville / USA eröffnet, um dieses gigantische Wissen zu verbreiten. Die Behandlung von Infektionskrankheiten …

„….ist im Grunde in der ursprünglichen Osteopathie Tagesgeschäft gewesen. Wenn man sich alte Lehrbücher anschaut, aus der Zeit, so um 1900 – ist ein Großteil der Indikationen, die behandelt werden, Infektionserkrankungen. Das war das Hauptgeschäft eigentlich.“

(Zitat: Christian Hartmann…danke übrigens für das unermüdlich Durchwühlen alter Quellen).

Anfang des 20 Jahrhunderts schwappt die Osteopathie nach Europa, und kann sich im Zuge einer der schlimmsten Pandemien, der spanischen Grippe von 1918 – 1919 nochmals deutlich in der Behandlung von Infektionskrankheiten bewähren.

Millionen Menschen starben damals weltweit an einer Krankheit, die einer Lungenentzündung glich. Zunächst hielt man die damaligen Osteopathen für schlechter ausgebildet und die recht kleinen osteopathischen Krankenhäuser für weniger wirksam. Doch die öffentliche Gesundheitsbehörde der USA sollte in späteren Auswertungen auf sensationelle und auch unerwartete Funde stoßen.

Während in konventionellen also schulmedizinisch geführten Krankenhäusern bis zu 4 von 100 Erkrankten verstarben, konnte die Sterblichkeitsrate in den osteopathisch geführten Krankenhäusern mit der wesentlich geringeren Zahl von 0,25 Prozent nachgewiesen werden. Die Untersuchung wurde durch einen Appell der American School of Osteopathy unterstützt. Landesweit knapp zweieinhalb tausend, teils noch durch Andrew Taylor Still persönlich ausgebildete Osteopathen, behandelten weit mehr als 100 000 Infizierte. (Quelle: Facebook / Shawn Kristian / Chief Medical Officer im „Childrens Hope Center“ San Diego)

2. Unter seinem Facebookbeitrag verlinkt Shawn Kristian zudem noch diesen, im Jahre 2007 online veröffentlichten Fachartikel von Raymond J Hruby und Keasha N Hoffman. Im Beitrag geht es um die Aviäre Influenza, welche durch das H5N1 Virus verursacht wird. Im Artikel wird neben den Merkmalen dieser Influenza ein osteopathischer Vorsorgeplan und damit osteopathischer Ansatz im Falle einer pandemischen Verbreitung dieser Aviären Influenza diskutiert. Der Beitrag zeigt die Erfolge der Osteopathen zu Zeiten der spanischen Grippe auf und liefert Vorschläge für ein Behandlungsprotokoll. Folgende Ansätze sind enthalten:

  • Stimulation des Immunsystems
  • Verbesserung der arteriellen, venösen und lymphatischen Durchblutung

Der Beitrag schlägt vor, dass sich osteopathisch Tätige zumindest durch das Erlernen dieser Techniken vorbereiten. Einige Behandlungstechniken werden vorgestellt:

  1. klassische Brustkorbpumpe – sanfter aber rhythmischer Druck auf dem Brustkorb in einer Geschwindigkeit von 110 – 120 Wiederholungen pro Minute, die Technik wird solange ausgeführt, bis eine Weichteilcompliance erreicht ist und eine Verringerung der Gewestauung erreicht ist / eine Variation ist im Originaltext beschrieben
  2. Pumptechnik für die Leber in Rückenlage oder Seitlage
  3. Pumptechnik für die Milz in Rückenlage oder Seitlage
  4. Lymphtechnik für den Bauch – 20-30 Wiederholungen in der Minute

  5. Fußpumpe
  6. Rib raising / Rippenhebetechnik
  7. Drainage über den Brustmuskel
  8. Unterkieferdrainage
  9. Drainage Sinus frontale
  10. Drainage Sinus maxillare
  11. Frontlift
  12. Maxillarlift
  13. Lockerung thorakales Zwerchfell
  14. Chapman – Reflexpunkte
  15. Muskelenergietechnik 1. Rippe / 2-5. Rippe / 6-10. Rippe / 11-12. Rippe
  16. Weichteiltechniken Paravertebralmuskulatur Halswirbelsäule

Zwar nicht unter dem Aspekt der Behandlung pandemischer Geschehen – dennoch sind mir und bestimmt vielen Osteopathen all diese Techniken bekannt. Mich würde wirklich interessieren, wieviele von Euch, kennen diese Techniken? Wurden die bei Euch gelehrt? Wenn auch unter anderen Aspekten? Schreibt mir dazu doch einfach mal einen Kommentar, mich würde ein Querschnitt interessieren, ob diese Techniken in unser aller osteopathischen Händen sind.

Ob das nun genau jene Techniken waren, die die damaligen Osteopathen, also zur Zeit der spanischen Grippe 1918 / 1919 angewendet haben, weiß ich nicht.

Wenn ich jetzt aber mal laut denke – und ich weiter oben geschrieben habe, dass wir grundsätzlich die Gesundheit ausdehnen wollen – dann sollten wir einfach diese Techniken verinnerlichen, die genannten Strukturen sowieso immer, explizit jetzt und in den nächsten Monaten auf Restriktionen überprüfen und falls nötig, behandeln. Auch schon weit bevor eine Krankheit wie Covid-19 überhaupt erst auftaucht.

Wenn das also die Techniken waren, die man damals als hilfreich im Falle einer Erkrankung herausgearbeitet hat – dann möchte ich mir den Umkehrschluß erlauben, dass die Behandlung beim Nichterkrankten ebenso das Körpersystem in eine bessere Funktion bringen wird. Ergo müsste ja die Immunlage besser sein.

Es gibt meines Wissens keine wissenschaftliche Untersuchung – inwieweit präventive Behandlungen  das Auftreten einer infektiösen Erkrankung verhindern können. Ein Versuch – alles was möglich ist, jetzt zu tun, um die Infektionsabwehr unseres Körpers zu steigern, scheint mir hilfreich und unabdingbar.

Oder mal andersrum gefragt – was spricht denn dagegen, alles Wissen, was wir haben – jetzt einzusetzen?

Was hier im Hinblick auf Infektionen oder der Vermeidung selbiger vielleicht wie Prävention klingt, ist im Prinzip die Herstellung eines guten Milieus, das Beseitigen von dysfunktionalen Zuständen. Das ist das Wesen der Osteopathie, so wie ich sie verstehe.

Nicht erst seit Covid-19 sollte jedem von uns bewusst sein, dass sich Krankheitserreger vor allem dort niederlassen – wo sich das für sie passende Milieu findet. Warum hat der eine Fußpilz – der andere nicht? Warum bekommt der eine Schnupfen – der andere sitzt daneben und hat nix? Warum wird zufällig der Schnupfen nach einer osteopathischen Behandlung besser – obwohl der Patient eigentlich wegen Halswirbelsäulenbeschwerden kam? (und wenn wir noch in eine andere Richtung weiterdenken – welche Struktur bricht im Falle des Sturzes? Meistens die angegriffene, möglicherweise eine lange geschwächte Struktur… mal aus der Empirie der Praxis geplaudert).

…na mal zurück zum Thema….

3. Unter Punkt 7 der soeben genannten Techniken habe ich die Rib Raising Technik genannt. In dieser hier verlinkten Studie von Dave Bruckenburg D.O. BSc.(Hons) Ost. Med., finde ich einen Wirksamkeitsnachweis dieser Technik. Diese Studie untersucht die Fragestellung, ob die Rib Raising Technik, ausgeführt an den Wirbelsäulensegmenten T1-T5 einen Einfluss auf die Lungenfunktion hat, welche durch das dort verlaufende sympathische Nervensystem beeinflusst wird. Kontrolliert wurde mittels Spirometrie, also die Messung des Lungen- und Atemvolumens. Im Ergebnis zeigt sich, dass sich durch das Anwenden dieser Technik die Lungenfunktion bei männlichen und weiblichen Rauchern deutlich verbessern lässt.

Bei der Recherche im Netz finden sich noch einige mehr Hinweise, dass es durchaus sinnvoll ist – bei Infektionskrankheiten osteopathisch zu behandeln. Ich habe mal paar zusammengesammelt.

4. Im Dezember 2015 veröffentlicht die Osteopathieschule Deutschland einen Beitrag zu Osteopathie bei Lungenentzündung. Auch in diesem Beitrag geht es um die manuelle ostepathische Behandlung im Hinblick auf die im Jahre 2007 unzähligen auf Lungenentzündung beruhenden Krankenhauseinweisungen und die damit verbundenen Todesfälle in den USA. Die Behandlungsansätze sind nicht ganz so ausführlich dargelegt, wie das Protokoll, welches ich oben aufgeführt habe, beschreiben im Prinzip aber die gleichen Techniken. Mit welchem sie zu einem ähnlichen Schluss kommen. Das Durchführen dieser Techniken führt zu verbessertem Lymphabfluss, zu einer besseren Antikörperantwort, zur Verminderung von Lungenödemen, zur Verbesserung der autonom gesteuerten Kontraktiliät von Lymphgefäßen und anderes.

5. Tja, und Youtube macht es möglich, es gibt bereits eine Anleitung von Dr. Michael Leins, welche sich an Patienten mit Covid-19 richtet. Diese sollen ihren Arzt auf diese Behandlung ansprechen. Das Video ist auf Englisch – im Intro sind die Kontraindikationen für die gezeigten Techniken aufgeführt. Nochmals der ganz wichtige Hinweis – diese Techniken können maximal eine Ergänzung zur schulmedizinischen Therapie sein – aber NIEMALS die schulmedizinsche Therapie ersetzen.

6. Eine weitere im März 2019 veröffentlichte Studie, die MOPSE Studie (Multicenter Osteopathic Pneumonia Study) untersucht osteopathische Techniken bei älteren Menschen mit Lungenentzündung. Untersucht wurden insgesamt 406 Probanden, diese wurden in 3 Gruppen eingeteilt. Alle bekamen die konventionelle Krankenhausbehandlung für Pneumonie. Eine Gruppe bekam zusätzlich 2x täglich manuelle osteopathische Behandlung, eine weitere Gruppe eine light-touch Behandlung, die dritte Gruppe nur die konventionelle Behandlung. Im Ergebnis konnte zumindest eine verringerte klinische Aufenthaltsdauer der osteopathisch behandelten Gruppe gegenüber der nur konventionell behandelten Gruppe festgestellt werden. Ebenso konnte im Vergleich dieser beiden Gruppen eine Verringerung der Zeitspanne in der intravenösen Antibiotikagabe gegeben werden. Hier kannst Du dir auch das Video dazu bei Youtube anschauen:

7. Torsten Liem befasst sich in einer seiner Arbeiten mit der osteopathischen Behandlung von Pertussis / Keuchhusten im 19 und 20 Jahrhundert. Ausgehend von der Tatsache, dass sich in seiner Beobachtung trotz Impfungen und Antibiotikabehandlung die Fälle vermehrten, führte er eine Literaturrecherche durch. Er hat sich auf die Suche nach osteopathischen Behandlungstechniken begeben – explizit Behandlungstechniken aus den Zeiten, vor der Entdeckung der Antibiose. Hierbei konnte er 24 historische Quellen zwischen 1886 und 1954 durchstöbern. Wieder werden die schon oben mehrfach erwähnten osteopathischen Manipulationen, Mobilisierungs- und Lymphpumptechniken beschrieben. Liem kommt aufgrund der Tatsache der Fülle der beschriebenen Techniken zu dem Schluss – dass die Behandlung von Keuchhusten mittels osteopathischer Techniken zu damaligen Zeiten üblich war. (Cave: so verlockend das schon wieder alles klingt, sofort mit den beschriebenen Techniken beim nächsten Patient loszulegen – denkt bitte daran dass für Keuchhusten seit 2013 Behandlungsverbot für Heilpraktiker besteht sowie Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung und Tod)

8. Das Bündnis für internationale Osteopathie – die OIA, mit Sitz in Chicago – führt auf der Internetseite eine Liste mit Links, welche von den weltweit osteopathisch und auch nicht osteopatisch agierenden Partnern eingereicht werden um gemeinsam Covid-19 zu bekämpfen. Einige von den Links, welche die Wirkung von osteopathischen Techniken untersuchen, habe ich im Beitrag schon aufgeführt, einige enthalten auch „nur“ allgemeingültige Tipps zum Verhalten. Einfach mal durchstöbern.

9. Raimund Engel, Mitbegründer und Leiter der Wiener Schule für Osteopathie, lässt in einem recht  aktuellen Video zum Thema Osteopathie und Infektionskrankheiten Christian Hartmann, den Inhaber des Jolandosverlages ausführlich zu Wort kommen. Diesem Video zu lauschen, hat richtig Spaß gemacht, danke an die beiden dafür:

10. Christian Hartmann arbeitet in einem seiner Blogbeiträge die Rolle der ursprünglichen Osteopathie in Bezug zu Infektionskrankheiten heraus. Er folgt seinem Schwerpunkt, die Dinge historisch zu beleuchten – und stellt den Bezug zur Gegenwartsosteopathie her. Er fragt laut, warum nicht längst sämtliche osteopathische Institutionen die Prinzipien der Zellularphysiologie veröffentlichen. Er wundert sich klar und laut über die bestehende Diskrepanz und die sich daraus ergebende  Identitätskrise der derzeitigen Osteopathie, in ihrem Versuch, sich an das zellularpathologische / aka schulmedizinische Gesundheitssystem anzugliedern.

11. Die Kollegen Knop und Niehaus fragen in einem ihrer Videos: „Gibt es Infektionskrankheiten wirklich?“ Das ist sehr mutig in heutigen Zeiten. Aber ohne verklären zu wollen, steht im Vordergrund ihr Wunsch zur ganzheitlichen Betrachtung von Infektionskrankheiten. Schon weit vor Corona haben sie immer wieder das Thema Darmgesundheit aufgegriffen. Das gefällt mir. Es gibt eben neben dem einen – immer noch das andere.

12. Walter McKone – Londoner Osteopath, Lehrer und Autor beleuchtet in einem seiner Blogbeiträge alte Quellen. Er lässt behandelnde osteopathische Ärzte der damaligen Zeit mit ihren Erfahrungen, in Bezug zur Behandlung von Influenza, zu Wort kommen. Weiterhin erklärt er anschaulich, den Weg des Virus ausgehend von der Eintrittspforte einer geschwächten Schleimhaut über die Reaktion des Immunsystems mit der damit verbundenen Stress- und Schocksituation, welche mit Schwitzen, Zittern, Steifheit und Kopfschmerzen einhergeht. Er erklärt, welche osteopathischen Techniken er im Falle eines solchen Zytokinsturmes für sinnvoll hält. Es geht außerdem um die Nebenniere als wichtigste Struktur – wenn man die Physiologie der Influenza bespricht.

13. Kollegin Groenefeld-Hansen zeigt in einem 5 minütigem Video ein anschauliches und gut machbares Immun-Protokoll. Dieses dient zur Selbsthilfe in Bezug auf Immunsystem und Atemwege. Es versteht sich von selbst – und darauf wird auch hingewisen, dass Patienten mit starken Krankheitssymptomen in die Hände eines Arztes gehören. Reinweg zur Entspannung und gegenseitigen präventive Maßnahme für zu Hause eine sehr schöne Sache.

14. Jean Paul Höppner ein belgischer Osteopath …fragt sarkastisch oder ist es enttäuscht? … warum einige Osteopathen gerade wie wild in ihrem Werkzeugkasten nach einer passenden Technik suchen – während andere „…nach Pergamenten mit weisen Anweisungen aus der Vergangenheit suchen.“ Er verweist eindrücklich auf die Prinzipien der Osteopathie und schüttelt imaginär den Kopf, wie die augenscheinliche Moderne versucht, Osteopathie wissenschaftlich zu begründen. Er verweist auf die unerschütterlichen und zeitlosen Grundprinzipien des Lebens, ergießt sich in einer fantastischen Ausführung … schau es dir unbedingt an! …um am Ende mit einer doch alles wieder vereinfachenden Schlussfolgerung …. Zitat: „stellen Sie sicher, dass das Reigungspersonal seine Arbeit machen kann“ … zum gründlichen Studium der Anatomie zu motivieren.

15….?

Ich bin mir sicher – es gibt noch unzählige weitere Aufsätze, Arbeiten, Studien. Sobald mir noch was erwähnenswert erscheint – füge ich es hinzu. Schreibt mir gern in die Kommentare, wenn ihr noch was kennt, was mit aufgelistet sein sollte.

Mit den vielen genannten osteopathischen Techniken sind fantastische Ansätze dargelegt, wie wichtig es besonders im Hinblick auf Infektionskrankheiten ist, dass jedwede anatomische Struktur frei beweglich und funktional ist. Es wäre vermessen zu behaupten – wir könnten eine Infektionskrankheit mit ein paar sanften Manipulationen heilen – dennoch erscheint es mir wichtig, an jeder Möglichkeit im Rahmen unserer Möglichkeiten auf alle Fälle festzuhalten.

Ja – und auch das möchte ich irgendwie gern noch mit hierhinein bringen:

Während ich die Quellen für diesen Beitrag zusammengetragen habe und mich dieses Thema tagelang umgibt, erinnere ich mich an meine Physiotherapieausbildung. Ein anderer meiner Osteopathielehrer, Peter Verhaert motivierte uns, auf gar keinen Fall die Dinge zu vergessen, die wir in der Physiotherapie mal gelernt hätten. Auch an diesen Satz denke ich Jahre nach meiner Osteopathieweiterbildung. Danke also auch nochmal an Peter Verhaert.

An was hatte ich mich also erinnert?

Wochenlang, um genau zu sein 6 Wochen lang, war es meine Aufgabe, die vor allem älteren Patientinnen und Patienten während meines physiotherapeutischen Praktikums auf der Inneren im damaligen Diakonissenhaus in Leipzig zur sogenannten Gangschule aus ihren in noch langen Reihen stehenden Betten zu holen. Für was? Nichts geringeres als Pneumonieprophylaxe. Atemvertiefung durch Bewegung.

In einem anderen Praktikum, Pädiatrie – war es meine Aufgabe, lungenerkrankte Kinder abzuklopfen. Tagelang …. von Osteopathie wusste ich da noch nix – das Körpergewebe, die Physiologie war jedoch die Gleiche.

Und noch eine Anekdote … nicht wissenschaftlich belegt, aber hey … Erfahrungswissen ist ein riesiger Schatz. Meine Tante arbeitete zu DDR-Zeiten als Krankenschwester. Brachten sie ihre Patienten zu den Op´s mussten sie sie bei Wind und Wetter, also auch in den kältesten Wintern über den Hof rollen. Es gab keinen anderen Weg …. und was hat sie mir wohl erzählt? Dieses Haus war das Haus mit der geringsten Quote an Lungenentzündungen. Zahlen kann ich nicht liefern – aber ich glaube einer Krankenschwester.

Auch Sonnenlicht und gesunde Ernährung wird in einem der alten osteopathischen Texte erwähnt. Aber das wisst ihr ja alle bereits.

Ja – Viruserkrankungen sind fatal, können jeden treffen, beginnen oft plötzlich und haben tragische Verläufe – ich möchte nicht verklären – sondern einfach dazu aufrufen … die Gedanken auf das Mögliche und Machbare zu richten.

Zwar kein osteopathischer Beitrag, aber unter diesem Aspekt hat mich der Bericht einer Münchner Klinik gefreut. Im Beitrag wird beschrieben, welche physiotherapeutischen Übungen schon auf Station mit Atemwegserkrankten praktiziert werden, um Lungenschäden zu minimieren: https://www.muenchen-klinik.de/lungenkrankheiten-atemwegserkrankungen/covid-19/atemtherapie/

Auf der Internetseite: www.quarks.de gibt es eine erste Zusammenfassung aufbauend auf einer ziemlich ausführlichen Quellenverlinkung zu Langzeitfolgen von Covid-19.

In Potsdam haben wir Stand heute – 13.4.20 – 446 Covid-19 Erkrankte. Rein aus meinem Gefühl und mal als Option einfach in den Raum gestellt – um sich danach körperlich und auch seelisch in allen Facetten wieder aufzubauen – sobald die Infektion vorbei ist – empfehle ich den Gang zur Osteopathie.

Erhebungen über die Wirksamkeit gibt es darüber natürlich noch nicht. Besonders an dieser Stelle möchte ich unbedingt nochmals einbringen, dass strukturell verändertes Gewebe durch Osteopathie nicht „rück-abgewickelt werden kann.“ Eine Strukturveränderung, der Umbau von Lungengewebe, wie es bei Covid-19 beschrieben ist, kann nicht osteopathisch reguliert werden.

Im Focus dieser Behandlung stehen die Begleiterscheinung, welche mit solch einer schweren Erkrankung einhergeht. Schock durch unvermeidlichen Angriff mit allen seinen körperlichen Folgen.

Rein die Erfahrung aus meiner jahrelangen Praxis hat es hervorgebracht, dass recht viele Menschen nach Infektionskrankheiten Beschwerden am Bewegungsapparat entwickeln und sich oft noch eine ganze Weile schlapp und matt fühlten. Die osteopathischen Behandlungen wurden dahingehend oft als hilfreich beschrieben. Ein Heilversprechen kann und wird es von einem osteopathisch tätigen Behandler nie geben.

 

Vielen Dank, dass du dich für das Thema Osteopathie und Infektionskrankheiten interessierst.

Hast du Fragen oder Anmerkungen? Dann schreib´ es mir gern in die Kommentare.

…und noch an die Kollegen, die sich genau wie ich Inspirationen und Informationen im Netz holen – Quelle nennen ist einfach nur ein feiner kollegialer Zug und wird eure Authentizität steigern. Alle Texte meines Blogs sind urheberrechtlich geschützt. Vielen Dank!

Du kannst den Text hier via Youtube anhören:

Autorin: Sandra Hintringer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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