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Was ist Traumasensibles Yoga?

Traumasensibles Yoga
Traumasensibles Yoga

Yoga ist irgendwie inflationär. Überall spriesen Studios aus dem Boden. Lehrer kommen und gehen und zur besseren Vermarktung kreiert der yogische Space allerlei spannende und mehr oder weniger traditionell angehauchte Yogaformen. Und nun taucht auf dem Yogamarkt plötzlich das Traumasensible Yoga auf. Ob das nun auch einer von diesen Marketinggags ist oder da möglicherweise eine der genialsten und hoffnungsvollsten Interpretationen des Yoga dahinter steckt, darüber werde ich mich in diesem Blogbeitrag ein wenig auslassen. Doch eines gleich vorweg. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das traumasensible Yoga in nächster Zeit einen sehr großen und vor allem standfesten Platz in Deutschland, Europa und der ganzen Welt bekommen wird.

Du fragst dich nun berechtigterweise warum. Ich möchte es versuchen zu erklären.

Unsäglich viele Menschen praktizieren Yoga, das ist ganz großartig. Ursprünglich aus der indischen Philosophie entstammend, geht es um Einssein, um Verbindung mit sich und der Welt und es geht um Selbsterkenntnis. Im Lauf der Zeit haben sich verschiedene Stile und Richtungen herausgebildet und das Yoga hat ordentlich Europa und Amerika erobert. Fast könnte man sagen aufgemischt. Umso größer der Markt, desto größer das Marketing. Ashtanga-Yoga, Hatha-Yoga, Kundaliniyoga. Sicherlich hast auch du schon mal irgendwo so einen kryptischen Begriff gelesen und dich gefragt, was dahinter steckt. Diese Richtungen beinhalten ihre spezifischen Programme und dennoch geht es bei allen um ähnliche Dinge. Es werden verschiedene Atemübungen (Pranayama) und Körperhaltungen (Asanas) praktiziert. Außerdem geht es um das Lernen der Yamas und Niyamas, quasi so etwas wie Verhaltensregeln und Meditationen. Am Ende sind alle erleuchtet. Im Idealfall.

Doch hier nehme ich mich nicht aus. Irgendwann ging es los, dass Yoga doch sehr sportlich wurde. Meine erste Yogastunde erlebte ich in einem Fitnessstudio. Das Einzige, was leuchtete, waren die Neonstrahler an der Decke. Allein das Erreichen der komplizierten Stellungen war oder ist Sinn und Aufgabe der Schüler. Vormachen. Nachmachen und am besten mindestens genausogut sein, wie der Yogalehrer. Besonders in Europa. Das bringt Kraft, macht Spass, steigert die Leistungsfähigkeit. Eine schicke schrille Yogaklamotte sollte dabei auch mit drin sein.

Diese Art und Weise des heutigen Yogas hält die Menschen im üblichen Lauf. Mag sein, dass es die Muskeln dehnt und kräftigt oder auch den Atem vertieft. Aber tief innen drin verändert sich nicht wirklich viel. Es erhält Muster, vor allem Stress- und Verhaltensmuster. Bitte nicht so viel spirituellen Kram, das wünschen wir uns. Auch ich sträube mich als Yogalehrerin OM zu singen. Irgendwie fehlt mir dazu der tiefere Sinn, wenn ich lehre. Vielleicht finde ich mein krächzen auch nicht so vorzeigbar. Singe aber gern mal mit, wenn es irgendwo angeboten wird. Ich für mich habe beschlossen, erleuchtet möchte ich nicht sein. Das scheint mir im Moment zu abstrakt. Gut fühlen möchte ich mich. Im Hier und Jetzt und genauso lehre ich. Ohne OM und Spiritamtam. Ich sage immer, ich gebe ein rationales Yoga. Und so wird das traditionelle Yoga irgendwie immer mehr zur Legende. Yoga erlebt eine Inflation.

Oder doch nicht?

Innerhalb dieses schnellen, teilweise reißerischen Marktes besinnen sich doch immer mehr Yogalehrer zurück auf die Traditionen oder haben nie aufgehört, an ihnen festzuhalten. Es gibt also beide Anteile auf dem Markt. Erfreulicherweise. Denn das Schöne am Yoga ist doch letztendlich die Freiheit, die Dinge so tun und lassen zu können, wie man es halt mag. Sportlich schrill um die Wette oder eben kontemplativ. Mittlerweile mag ich das sinnliche Yoga mehr. Eins das Zeit hat und mich und meine Teilnehmer so sein lässt, wie wir eben sind. Wunderbare Menschen mit kleinen Schrammen und Kanten. Wer Perfektion und Yoga versucht in einen Satz zu pressen, darf gern bei mir eine Stunde buchen. Denn es geht um alles mögliche. Aber es geht nicht um Perfektion. Seit meiner Ausbildung in Somatic Experiencing (Traumatherapie) hat sich mein Stil zu unterrichten doch etwas geändert.

Doch was genau ist nun das Traumasensible Yoga und wo findet diese Yogaform ihr Plätzchen in, na soll ich sagen, dem großen Haifischbecken?

Im Moment würde ich sagen, ist das Traumasensible Yoga in Reinform wohl noch eine eher etwas unbekanntere Nischenform. Und es richtet sich, wie der Name schon sagt, an Menschen mit Traumatisierungen.

Als Trauma bezeichnet man ein schockhaftes Ereignis, was den Mensch tief erschüttert. Doch allein ein schreckliches Ereignis stellt noch kein Trauma dar. Je nachdem, wie der Verarbeitungsmechanismus verläuft, kommt es entweder zur Regulation oder später, teilweise erst nach Jahren, möglicherweise zu sogenanannten Traumafolgestörungen. Diese zeigen sich durch verschiedene Symptome welche von Angst, über Panikstörungen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder auch körperliche Beschwerden reichen. Die Palette ist weitreichend.

Trauma ist keine Krankheit sondern ein Zustand im Nervensystem

Mittlerweile weiß man, dass der Körper ein sogenanntes implizites Gedächtnis besitzt. Erfahrungen, gute wie auch die nicht so guten, werden im Unterbewussten gespeichert und drücken sich dann aus. In Verhaltensweisen, in Gefühlen und in Körperempfindungen.

Ein knallhartes im Außen orientiertes Yoga könnte nun dieses unterbewusst gespeicherte Material recht unliebsam zu Tage fördern. Anderfalls könnte es auch sein, dass der Körper so gar keine Lust auf Yoga hat. Im Grunde, intuitiver Schutz. Bitte nicht dran zerren, bitte nicht lockern. Bitte alles dort lassen wo es ist, denn das, was ich da gespeichert habe, war so unangenehm, dass ich auf keinen Fall da noch mal ran möchte. Dennoch werden die Menschen von Unbeweglichkeit und Steifheit und Schmerzen geplagt. Gehen brav zum Yoga und kommen über Jahre kein Stück in der Beweglichkeit voran.

Und genau hier ist die Schnittstelle. Hier setzt Traumasensibles Yoga an.

Absolut kleinschrittig, wahrnehmungsbasiert und erdend hat diese Yogaform das Ziel, Menschen wieder in ihre Eigenermächtigung zu bringen. Dazu braucht es ein paar spezielle Vorrausetzungen, welche sich in der Gestaltung des Settings und auch in der Person des Yogalehrers sowie der Art und Weise des Lehrens begründen. Eine spezielle Ausbildung hierzu ist unabdingbar. Sicherheit und Annahme stellen wesentliche Aspekte dar.

In kleinen leichten Sequenzen werden Atmung, Bewegung und Bewusstsein so kombiniert, dass es letzendlich zur Integration der durch Trauma abgespaltenen Anteile kommen kann. Nervensystem und somit Körpergewebe normalisieren sich durch regelmäßiges Wiederholen.

Verrückte und oft abgebildetet akrobatische Positionen sind hierfür absolut nicht nötig, denn es gibt weder was zu schaffen noch eine bestimmte Form zu erreichen.

Für wen oder wann eignet sich Traumasensibles Yoga?

  • wie oben schon erwähnt, richtet sich diese Yogaform in erster Linie an Menschen mit Traumafolgestörungen
  • es eignet sich hervorragend für Menschen in Zeiten seelischer Not
  • begleitend zu psychotherapeutischen Behandlungen kann es den Prozess vertiefen
  • es eignet sich für Menschen, welche ein sanftes schonendes Yoga suchen
  • es eignet sich für Menschen mit starken Schmerzen in Gelenken und Wirbelsäule
  • es eignet sich begleitend ebenso bei neurologischen oder allgemein chronischen Erkrankungen
  • nach Operationen
  • es eignet sich für Menschen wie du und ich, weil es einfach sanft ist und fast jeder irgendeine traumatische Komponente in sich trägt. Die Folgen des Handbruches nach meinem Radsturz in 2014 oder auch die Folgen diverser meiner Operationen freuen sich über jede einzelne dieser Stunden.

Wo finde ich einen in „Traumasensibles Yoga“ ausgebildeten Yogalehrer?

Auf der Internetseite der TSY GbR findest du eine Liste mit nach diesem System zertifizierten Lehrern. Ich habe das Zertifikat ebenso kürzlich erhalten, mich jedoch noch nicht listen lassen. Gern kommst du auch in einen Yogakurs bei mir in Potsdam oder meldest dich für eine Einzelsession an. Wenn du von weiter weg kommst, sind wir gern bei der Suche einer geeigneten Unterkunft behilflich.

Konnte ich deine Fragen hinsichtlich dieser Yogaform beantworten? Schreibe ins Kommentarfeld, wenn ich irgendetwas noch genauer beleuchten soll.

Traumasensibles Yoga
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